Warum sollte ich das Buch lesen, nur weil ich ein Kind möchte?

Gute Frage. Können Sie denn überhaupt welche bekommen? Wissen Sie nicht? Sollten Sie mal checken lassen. Oder Sie haben bereits eine Diagnose, wissen aber nicht, wie's weiter gehen soll? Dann lesen Sie die Geschichte. Oder Sie sind einfach neugierig auf das, was Ihnen Fachbücher oder das Fernsehen nicht verratem über eine Kinderwunschbehandlung? Tja, Sie wollen doch nicht dumm sterben, oder? Vielleicht brauchen Sie aber einfach nur eine unterhaltsame Lektüre. Dann kaufen Sie dieses Buch.

Wem das nicht reicht, nachfolgend 7 Gründe, warum Sie dieses Buch lesen müssen:

Grund Nummer 1:

Etwa drei Millionen Paare in Deutschland sind dauerhaft oder vorübergehend ungewollt kinderlos. Das ist jedes sechste Paar. Wir Unfruchtbaren sind sechsmal mehr Menschen, als CDU und SPD zusammen Mitglieder hat.

Grund Nummer 2:

Künstliche Befruchtung boomt. Kaum ein Sender, der nicht einem Paar bei der Insemination über die Schulter schaut, kaum eine Landtagswahl, bei der nicht über den Schutz des ungeborenen Lebens diskutiert wird. Das Thema ist heikel, denn es geht über das Wertvollste, was wir Menschen besitzen: Das Wunder des Lebens. Der Mensch schwingt sich dazu auf, Herr über Leben und Tod zu spielen. Gottgleich zu werden. Es steht unheimlich viel auf dem Spiel: Dieselben Menschen, die mit Hilfe der Gentechnik Geißeln der Menschheit wie Krebs und Parkinson in den Griff bekommen könnten, haben auch das Wissen, Menschen nach genetischen Eigenschaften zu sortieren. Auszusortieren, wenn das jemand will.

Was für unglaublich wichtige Fragen! Und mein Buch mittendrin.

Grund Nummer 3:

Dass wir Deutschen eines Tages aussterben werden, weil wir zu wenig Nachwuchs produzieren, sagen nicht nur die Statistiker, das weiß mittlerweile jedes Kind (so lange es noch Kinder in Deutschland gibt). Dies liegt mit Sicherheit auch an unserer Gesellschaft, die es Menschen mit Kindern nicht gerade einfach macht. Es gibt aber einen weiteren Grund, über den niemand gerne spricht: Wir werden immer unfruchtbarer. Laut WHO-Kriterien müssen im Ejakulat mindestens 20 Millionen Spermien enthalten sein, damit eine Schwangerschaft eintreten kann. Vor 1950 Jahren produzierte ein gesunder Mann in Deutschland durchschnittlich 100 Millionen Spermien pro Ejakulation. Im Jahre 2000 waren es nur noch 50 Millionen.

Der Rückgang der Geburtenrate ist zwar ein komplexes Phänomen, doch kann festgehalten werden: Die Segnungen des Wohlstands erweisen sich als Fluch für die Fruchtbarkeit. Umweltgifte und Stress haben einen direkten Einfluss auf den Hormonhaushalt und die Produktion gesunder Spermien. Unser modernes Leben, das geprägt ist durch lange Studienzeiten, private Altersvorsorge und Sitzheizungen schon in Mittelklassewagen, tut sein übriges, um den Fertilitätsindex in den Keller zu drücken. Dies sind jedoch alles nur gesellschaftliche Indikatoren. Letztlich muss sich die Medizin eingestehen, dass sie den Grund für den dramatischen Rückgang der Spermienproduktion nicht erklären kann. Sie weiß nur: Die Lage wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter verschärfen.

Also noch ein Buch zur künstlichen Befruchtung – darauf hat die Welt grade noch gewartet.

Ja, hat sie! Denn:

Grund Nummer 4:

Es gibt kaum belletristische Literatur zu diesem Thema. Schon gar nicht aus Deutschland. Das bisschen, was es gibt, ist vergriffen und wird nicht mehr aufgelegt.

Sachbücher gibt es genügend. Da wird alles erklärt, bis ins kleinste Detail. Sogar, dass befruchtete Eizellen tiefgefroren unbegrenzt aufbewahrt werden können in flüssigem Stickstoff bei minus 210,01 Grad Celsius und sich das Ganze „Kryokonservierung“ nennt und „Kryo“ griechisch ist und übersetzt „kalt“ heißt.

Was wohl in einer kleinen Kinderseele vorgeht, die zwei Tage nach der Befruchtung für ein halbes Jahr bei minus 210,01 Grad Celsius eingefroren wird, steht leider nirgendwo. Und ob die Kasse den Ganzen Quatsch zahlt, natürlich auch nicht. Antworten auf solche Fragen finden Sie nur in meinem Buch.

Grund Nummer 5:

Das Thema Kinderlosigkeit ist immer noch ein Tabu. Besonders, wenn der Mann unfruchtbar ist. Wenn jedes sechste Paar in Deutschland dauerhaft oder zumindest vorübergehend unfruchtbar ist, dann müssen logischerweise die Kinder von ungefähr jeder sechsten Beziehung mit Hilfe der Reproduktionsmedizin zur Welt gekommen sein. Wir reden hier über knapp 17% aller Partnerschaften in Deutschland.

Von wie vielen Paaren in Ihrem Bekanntenkreis wissen Sie, dass sie ein kleines Problemchen im Lendenbereich haben? Na?

Kein Mann gibt zu, dass seine Spermien ein kümmerlicher Haufen fußlahmer Krüppel ist, selbst wenn es sehr vielen Männern genauso geht wie ihm. Ein Mann mit 60 Millionen Spermien im Ejakulat ist nicht männlicher als einer mit 2 Millionen. Das Thema berührt ganz tiefe archaische Strukturen, von denen wir glaubten, wir hätten sie schon seit Jahrzehnten hinter uns gelassen. Haben wir aber noch längst nicht.

Trotz unserer liberalen Gesellschaft und markschreierischen Medienkultur ist das, was bei einer künstlichen Befruchtung passiert, eine einziges großes schwarzes Loch, über das Außenseiter keinerlei Einsicht oder Information bekommen. Jeder weiß, was Boris Becker in der Besenkammer gemacht hat und wie er sich dabei gefühlt haben muss. Aber was fühlt ein Mann, der mit einem Becherchen in der Linken und einem Playboy in der Rechten von einem Laborassistentin in ein Kämmerchen geschubst wird? Was fühlt die Laborassistentin, die pro Tag 20 lauwarme Becherchen zum Mikroskop trägt und 20 Mal das Kämmerchen sauber machen muss? Wie fühlt sich es an, wenn in einer Frau 14 Eizellen gleichzeitig heranreifen? Ist das ein Gefühl wie am ersten Weihnachtsfeiertag zu viel Gänsebraten gefuttert oder geht das schon mehr in Richtung Blähungen?

Grund Nummer 6:

Wenn irgendetwas über künstliche Befruchtung berichtet wird, dann ist es immer gleich ganz schlimm und man muss leise reden. Die armen bemitleidenswerten Menschen, die immer und immer wieder versuchen, Kinder zu bekommen und immer und immer wieder enttäuscht werden. Die Wartezimmer der Kinderwunschpraxen – ein Hort moderner Sisyphosse.

Ja, das Thema ist ein sensibles und hat für jeden einzelnen das Potenzial zur Tragödie. Aber es ist auch nicht falsch, die Behauptung zu wagen, dass es auf der Welt schlimmere Übel gibt als die Kinderlosigkeit, so hart den Einen oder Anderen diese Diagnose persönlich treffen mag. So ernst der Gesamtkomplex "unerfüllter Kinderwunsch" auch ist, er ist auch voll von Skurrilität und absonderlichen Dingen. Da gibt es zum Beispiel Hormoncocktails, die zum einen Teil aus genetisch modifizierten Ovarialzellen des chinesischen Hamsters bestehen und zum anderen Teil aus dem Harn von Frauen nach den Wechseljahren. Für mein Kind hätte ich gerne Tigerstammzellen oder Löwenhormone gehabt, gibt’s aber nicht, sagte der Arzt. Wichtig ist auch zu wissen, dass der Reproduktionsbiologe nicht „Straßenbahn fahren“ meint, wenn er von „Verkehr“ spricht und ein Urologe nichts Vergnügliches im Schilde führt, wenn er mit einem Mann die „Hafenrundfahrt“ machen will – die folgenden Stunden nach dieser Dampferfahrt sollte man lieber im Stehen verbringen.

Grund Nummer 7:

Das Buch ist gut geschrieben und gleichermaßen nachdenklich wie zum Brüllen komisch. Ja, ist so, tut mir leid, was soll ich da noch mehr sagen.